Die Republik erhebt sich derzeit spürbar gegen ihre Feinde

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion SPD: „In den Farben getrennt, als Demokraten geeint? Politische Reaktionen auf gesellschaftliche Stimmungen in Sachsen“

83. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 01.02.2024, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die Frage, was Demokratien und Demokraten eint, ist so alt wie die politische Theorie selbst.

Die Antwort darauf, gehört zu den kompliziertesten. Im Laufe der Geschichte hat aber eine Verständigung stattgefunden, dass es so etwas wie einen Nukleus des Gemeinsamen bedarf, damit Demokratien bestehen können – in der Antike verstand man darunter die Tugendhaftigkeit.

In den jüngeren Demokratien und gerade in der Bundesrepublik Deutschland ist es nicht die Tugendhaftigkeit, die der Maßstab für die Zugehörigkeit ist, sondern eine faktische Beschreibung der staatlichen Tugendhaftigkeit – es sind die Menschenwürde, die Freiheit des Einzelnen, der Rechtstaat und freie Wahlen, als jenes, was wir heute als freiheitlich demokratische Grundordnung oder gar als unverbrüchlichen Kern unserer Verfassungsordnung begreifen.

Auf diesem Boden und in diesem Rahmen ist in unserer freiheitlichen Republik alles möglich – harter Streit um die Sache, Zuspitzung, ja sogar Polemik. In unserer Republik zeichnet es wahre Demokraten aus, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes orientiert an den Werten unserer Republik um die besten Lösungen streiten.

Wir können uns unter Demokratinnen und Demokraten trefflich streiten. Über die Frage, was die Polizei dürfen soll und was nicht oder darüber, wo es eine neue Bahnverbindung braucht und wo es eine Autobahn auch tut.

Diskussionen und unterschiedliche Auffassungen sind selbstverständlich. Sie sind Abbild einer pluralen Gesellschaft, Abbild der verschiedenen Lebensentwürfe und der Individualität, die ausleben zu können Sinn einer freiheitlichen Ordnung ist.

Manchmal wünsche ich mir in diesen Auseinandersetzungen mehr Respekt, mehr Demut und den Willen zur Erkenntnis, dass nicht alle anderen blöd sind – denn als überzeugte Republikaner müssen wir das würdevolle Streiten wieder neu lernen – denn nur ein lebendiger demokratischer Streit ist der Kampf um das Beste im Guten.

Dem gegenüber stehen diejenigen, die den Boden unserer freiheitlichen Demokratie verlassen, die nicht den Streit innerhalb der Verfassungsordnung suchen, sondern die Pfeiler der Republik ins Wanken bringen wollen, in dem sie den unverbrüchlichen Kern angreifen und bekämpfen.

Sei es durch den Angriff auf die Menschenwürde mittels der Planung von Staatsverbrechen, wie es führende AfDler tun, sei es durch den Glauben, dass unsere freiheitliche Ordnung abgeschafft werden soll, wie es sich – auch ausweislich des Sachsenmonitors – zu viele erhoffen. Die Meinungsumfrage hat gezeigt, dass es kein hohes Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen gibt, dass menschenfeindliche Ressentiments eine feste Verankerung in der Gesellschaft haben und auch Verschwörungsglauben weit verbreitet ist.

Wären diese Erkenntnisse in den vergangenen Wochen politisch die einzigen gewesen, würde meine Prognose heute sehr düster ausfallen. Aber es waren nicht die einzigen. Die Republik aber erhebt sich seit einigen Wochen merklich gegen ihre Feinde – nicht nur mit hunderttausenden Menschen, sondern auch als Idee, dass wir alle die Verantwortung für ihren Schutz tragen.

Die Idee eines freien demokratischen Deutschland für alle Menschen ist größer als es die Staatsverbrechenspläne und Umsturzphantasien der AfD je sein werden.

Aber dafür braucht es nicht nur überzeugte Republikaner*innen, es braucht auch klare Antworten des Staates. Unsere wehrhafte Demokratie muss ihre Gesichter und ihre Zähne zugleich zeigen – das erwarten zu Recht viele Menschen, die für unsere Republik auf die Straße gehen.

Der Kampf nach Innen muss weiter intensiviert werden: Wer sich in herausgehobener Position in einer erwiesen rechtsextremen Partei befindet, darf kein Beamter des Freistaates sein. Wer den Rechtsextremismus unter dem Vorwand vermeintlicher Bildungsarbeit frönt, darf dafür kein Geld bekommen.

Aber vor allem braucht es einen neuen demokratischen – ja republikanischen – Zusammenhalt in unserem Land.

Die Feinde der Demokratie wollen den Kampf um die Straße gewinnen, die Freunde der Republik den Kampf um die Herzen.

Schließen möchte ich daher mit einem Zitat aus einer Schrift von Herfried Münkler: „Tugendhaftes Verhalten und bürgerschaftliches Engagement bedeuten im Prinzip nichts anderes als die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, wobei diese Verantwortung in politischem Sinn als Eigenverantwortung verstanden werden kann.“

Es ist Zeit für alle überzeugten Freunde der Republik, diese Verantwortung für den Gedanken unserer Republik zu übernehmen, als Anständige und als Zuständige.

Wir müssen schon heute die Weichen stellen.