Nachrichtendienst – Wir fordern grundsätzlich die Auflösung dieses Verfassungsschutzes

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Staatsregierung „Gesetz zur Änderung des Nachrichtendienstrechts im Freistaat Sachsen“, Drs 6/16211
90. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10. April, TOP 9

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren,

wir GRÜNEN werden dem Gesetz nicht zustimmen und das möchte ich mit folgenden drei Punkten begründen.

Erstens: Dass die Teile der Datenschutzgrundverordnung hier keine Anwendung finden, die den besonderen nachrichtendienstlichen Erfordernissen zuwider laufen, ist klar. Wie diese Bereichsausnahme allerdings geregelt wird, ist der blanke Gesetzgebungshorror. Sie ist nicht falsch, aber sie ist nahezu unverständlich: Da heißt es in § 19, dass bestimmte Artikel der Datenschutzgrundverordnung keine entsprechende Anwendung finden. Hier stutzt man das erste Mal. Warum steht da >>entsprechend<<? Hätte es nicht gereicht, wenn man schreibt, welche Artikel keine Anwendung finden? Nein, denn es gibt ein Datenschutzdurchführungsgesetz, dass auch für den Bereich des Verfassungsschutzes gilt und das in § 2 Abs. 4 regelt, dass bestimmte Artikel der Datenschutzgrundverordnung entsprechend anwendbar sind.

Will man also wissen, welches Datenschutzrecht im Bereich des Verfassungsschutzes gilt, muss man folgendes machen: 1. Blick ins Fachgesetz, dort ausgenommene Artikel der DSGVO, 2. Blick ins allgemeine Gesetz, dort ist nur ein Teil der DSGVO anwendbar, 3. Zur Ermittlung der anwendbaren Regelungen der DSGVO muss man dann im dritten Schritt die ausgenommenen Regelungen des Fachgesetzes von den entsprechend anwendbaren Regelungen des Allgemeinen Gesetzes abziehen. Übrig bleibt der anwendbare Rest. Ganz ehrlich – verehrte Kolleginnen und Kollegen – wenn der Gesetzgeber solche Gesetze beschließt, braucht man sich nicht wundern, wenn uns keiner mehr versteht.

Zweitens: Bei der nächsten Regelung, die ich kritisiere, bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie gewollt ist. Mit den Änderungen des § 5 und des § 17 Verfassungsschutzgesetz und von § 4 G10-Gesetz schaffen Sie die Unterrichtungspflicht gegenüber der G10-Kommission bei verdecktem Einsatz technischer Mittel ab. Mit der Folge, dass die G10-Kommission nicht mehr über nachrichtendienstliche Maßnahmen unterrichtet wird, die in den Schutzbereich des Artikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) fallen.

Das ist höchst problematisch, denn gerade beim Abhören und Ausspähen von Wohnungen, eine der schwersten Eingriffe in die Privatsphäre durch den Verfassungsschutz, findet quasi keine (nachträgliche) Kontrolle mehr statt. Ich bin mir wie gesagt unsicher, ob das gewollt ist, oder ob man einfach nur den Bereich der ‚Organisierten Kriminalität‘ herausnehmen wollte. So wie die Regelung jetzt daherkommt, halte ich sie für verfassungswidrig.

Drittens: Für einen wirksamen Datenschutz, auch im Bereich des Verfassungsschutzes – und gerade dort, weil die Betroffenen in der Regel nie von ihrer Überwachung erfahren – hätten wir uns eine wirksame Datenschutzkontrolle gewünscht. Eine wirksame Befugnis wäre beispielsweise ein Anordnungsrecht des Datenschutzbeauftragten. Dass ein solches in Sachsen nur im Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung gelten soll, haben wir bereits mehrfach kritisiert.

Zum Schluss nochmal ganz grundsätzlich: Wir GRÜNEN fordern grundsätzlich die Auflösung dieses Verfassungsschutzes. Er hat in seiner bisherigen Struktur und Arbeitsweise versagt. Er ist überdimensioniert und ineffektiv. Er dient in erster Linie der Gesinnungsschnüffelei, beobachtet Punkbands und unterschätzt dabei die Terrorgefahr von rechts. Einem solchen Verfassungsschutz möchten wir keine Befugnisse einräumen. Auch aus diesen Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

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