Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2015 − Anstieg rechtsmotivierter Straftaten um 74 Prozent ist eine Katastrophe

Zur heute vorgestellten Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2015 erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:

„Der Anstieg rechtsmotivierter Straftaten in Sachsen um 74 Prozent ist eine Katastrophe für unsere Demokratie und ein Armutszeugnis für Innenminister Markus Ulbig (CDU). Insbesondere der starke Anstieg von Angriffen auf Asylunterkünfte im zweiten Halbjahr 2015 ist erschreckend. Ich erwarte, dass Innenminister und Polizei bei der Verfolgung rechtsmotivierter Straftaten genauso penibel vorgehen wie bei der Erstellung der Statistik der von Zuwanderern begangenen Straftaten. Der Blick der Ermittlungsbehörden darf sich nicht nur auf Straftaten von Zuwanderern fokussieren, sondern muss auch die im Zusammenhang mit den fremdenfeindlichen Protesten begangenen rechtsmotivierten Straftaten vermehrt in den Fokus nehmen. Nur so kann verhindert werden, dass Nachbarn zu Tätern werden. Dass die heute vorgelegte Statistik ohne jegliche Ankündigung von Sofortmaßnahmen insbesondere zum Schutz der Asylunterkünfte vorgestellt wurde, offenbart die Hilflosigkeit mit der der Minister auf den Anstieg rechter Kriminalität reagiert.“

„Ich befürchte zudem, dass die polizeiliche Statistik nur die Spitze des Eisberges zeigt. Nicht alle rechtsmotivierten oder rassistischen Angriffe werden von der Polizei auch als solche erfasst. Bei der Polizei ist noch lange nicht angekommen, dass der klassische Nazi vom biederen fremdenfeindlichen Nachbarn abgelöst wurde. Sogenannte ‚asylfeindliche‘ Übergriffe werden längst nicht alle als politisch motivierte Straftaten erfasst.“
So gab der Innenminister beispielsweise auf Anfrage an, dass die Polizeidirektion Chemnitz bei den Angriffen auf einen Flüchtlingszug im Freiberg am 25.10.2015 keine politischen Lager erfasst habe. Auch zu den massiven Ausschreitungen von Hooligans am 19.10.2015 in Dresden wurde dem Abgeordneten mitgeteilt, dass keine politischen Lager erfasst worden seien.

„Auch die Zahlen aus den Opferberatungsstellen machen das Defizit bei der Einordnung von Straftaten als rechtsmotivierte politische Kriminalität deutlich. Sie erfassten 2015 477 rechtsmotivierte Angriffe in Sachsen. Die von der Polizei ermittelten 213 Gewalttaten sind offensichtlich unvollständig.“

„Der Innenminister muss endlich Farbe bekennen und deutlich machen, dass Straftaten gegen Flüchtlinge, gegen die Polizei, die Flüchtlinge schützt und gegen Personen, die sich für Flüchtlinge einsetzen oder darüber berichten, rechtsmotivierte politische Kriminalität sind. Das müssen alle sächsische Polizeibedienstete verinnerlichen. Nur wenn diese Straftaten in den richtigen Statistiken geführt werden, können Konsequenzen daraus gezogen werden – etwa bei der personellen Verstärkung zur Bekämpfung von rechtsextremen Straftaten.“

Kleine Anfrage von Valentin Lippmann: ‚Strafermittlungen anlässlich der Blockaden rund um die Ankunft eines Sonderzuges mit Flüchtlingen am 25. Oktober 2015 in Freiberg‘ (Drs 6/3140)http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=3140&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1 

Kleine Anfrage von Valentin Lippmann: ‚Strafermittlungen anlässlich des Demonstrationsgeschehens am 19. Oktober 2015 in Dresden‘ (Drs 6/3128)

Hintergrund:

Als politisch motivierte Straftaten (PMK) werden beispielsweise jene Straftaten zugeordnet, wenn sie gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Ferner zählen dazu solche Straftaten, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten.  

Statistik der Opferberatungsstellen Sachsen 2015

 

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