Abgeordnetengesetz – Koalition hat die Entwicklung der Pandemie bei ihrer Entscheidung stets im Blick behalten

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Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD „Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes“ (Drs 7/1891)

29. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Dienstag, 18.05.2021, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

jede Debatte um das Abgeordnetengesetz ist aufs Neue ein Moment der Verortung des Parlamentes in unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Wir wissen alle um die hohe Sensibilität der Materie und die politische Sprengkraft jenes Themas. Zugleich ist das Abgeordnetengesetz neben der Geschäftsordnung die entscheidende Norm, welche regelt, wie Abgeordnete ihre verfassungsmäßigen Aufgaben wahrnehmen können.

Gerade in diesem sensiblen Spannungsfeld zwischen verständlichem öffentlichen Streit und parlamentarischer Selbstachtung müssen sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung stets bewusst sein. Denn in den harten Debatten mag der mit großem Geschütz gefahrene Angriff zwar naturgemäß auf den politischen Gegner zielen, vor allem aber das Parlament als Ganzes treffen.

Vor diesem Hintergrund haben wir BÜNDNISGRÜNE und die gesamte Koalition versucht, seit der Einbringung dieses Gesetzentwurfes Anfang 2020 mit Augenmaß zu agieren und transparent zu handeln. Denn anders als bei der Änderung des Abgeordnetengesetzes 2015, in der die Debatten schlussendlich in jenen Absurditäten kulminierten, wie viele Fässer Bier ein Abgeordneter für Feuerwehrfeste mitbringen muss oder ob die Verantwortung für einen Staatshaushalt mit dem Steuern einer Boeing 747 vergleichbar ist, hat sich diese Koalition bereits beim ursprünglichen Gesetzentwurf an sachgerechten und bewährten Modellen anderer Bundesländer und des Bundestages orientiert.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie haben wir zudem als Koalition immer wieder deutlich gemacht, dass wir beim Zeitpunkt der Anpassung der Abgeordnetenbezüge die Entwicklung der Pandemie stets im Blick behalten werden, die natürlich und vollkommen zurecht Abstriche von den ursprünglichen Plänen verlangt hat. Es ist aus Sicht der Koalition daher angemessen und vernünftig, dem Landtag nach 2020 auch für 2021 eine Nullrunde vorzuschlagen.

Auch wenn die Corona-Pandemie noch nicht an ihrem Ende angekommen ist, so können wir eine Entscheidung über das Abgeordnetengesetz nicht weiter aufschieben. Wir sind als Gesetzgeber verpflichtet, innerhalb der ersten neun Monate nach Konstituierung des Landtags eine Regelung über die Anpassung der Entschädigung zu treffen. Mit Blick auf die Bewältigung der Corona-Pandemie gab es innerhalb des vergangenen Jahres definitiv wichtigere Aufgaben. Aber wir dürfen nicht die Augen vor der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit verschließen, die eine Entscheidung des Landtages über das Abgeordnetengesetz verlangt, der wir heute nachkommen.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

neben der breit rezipierten grundsätzlichen Orientierung der Diäten an der Richterbesoldung ab April 2022 schlagen wir Ihnen mit diesem Gesetzentwurf auch eine Abkehr vom bisherigen Indexmodell als Berechnungsgrundlage für die jährlichen Anpassungen vor. Maßgeblich ist dabei nicht mehr ein mehr oder minder zusammengewürfelter Index, sondern schlicht die durchschnitte Lohnentwicklung.

Ich habe im bisherigen Indexierungsmodell nie verstanden, warum die Entwicklung der Diäten auch von der Höhe der Regelsätze des SGB II abhingen, wenn auch nur zu einem kleinen Teil. Bitte vergegenwärtigen Sie sich dies einmal. Die Diäten der Abgeordneten steigen, wenn jener Betrag angepasst wird, den der Staat als Existenzminimum begreift. Ich finde, das kann man niemanden erklären und das sollte man auch niemanden mehr erklären müssen, wenn man sich nun dafür entscheidet, als Maßstab die Lohnentwicklung zu nehmen. Das ist transparent und in Zukunft für jeden nachvollziehbar.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

ich kann nicht über ein Abgeordnetengesetz sprechen, ohne – fernab konkreter Vorschläge – auch auf grundsätzliche Fragen zu verweisen. Denn auch wenn es naturgemäß zur Frage, ob die Höhe der Diäten der Abgeordneten zu hoch, zu niedrig oder genau richtig ist, schlussendlich immer mehr als nur drei Meinungen geben wird, so können, ja so dürfen wir uns – im Sinne einer starken und auch selbstbewussten ersten Gewalt des Staates – perspektivisch nicht der Frage entziehen, wie wir damit umgehen, dass es auch ein Auseinanderdriften der Bezüge von jenen, die kontrolliert werden, und jenen, die als Parlamentarier einen Kontrollauftrag haben, gibt. Diese Debatte ist nicht einfach, sie eignet sich nicht für Denken in Schwarz und Weiß. Und für diese Debatte ist jetzt definitiv nicht die richtige Zeit, aber diese Debatte wird eines Tages kommen müssen, wenn wir nicht langfristig Parlamente zum Ort des eleganten zwischenzeitlichen Aufenthaltes auf den Weg in Wirtschaft oder gute Verwaltungsposten begreifen wollen. Vor dieser Diskussion werden zukünftige Landtage stehen und ich bin der tiefen Überzeugung, dass sie sich dieser zum Wohle unserer parlamentarischen Demokratie annehmen werden.

Diese schwebende Zukunftsfrage sollten den aktuellen Sächsischen Landtag aber nicht daran hindern, mit diesem Abgeordnetengesetz auch weitere wichtige Änderungen auf den Weg zu bringen. Wir verbessern die Transparenzregeln, damit die Öffentlichkeit besser nachvollziehen kann, welche Nebeneinkünfte Abgeordnete haben. Wir ermöglichen den Fraktionen zukünftig Doppelspitzen, um auch im Sächsischen Landtag deutlich zu machen, dass Führung auch bedeuten kann: mindestens die Hälfte der Macht den Frauen.

Und wir machen für die Zukunft Schluss mit der Möglichkeit des vorzeitigen abschlagsfreien Ruhestandseintrittes. Leider ist genau dieser Punkt in der Öffentlichkeit in der Debatte um die Diäten untergegangen. Dabei halte ich es für weit problematischer, dass Abgeordnete sich Sonderrechte beim Ruhestandseintritt herausnehmen, als dass sie gut bezahlt werden. Aber natürlich ist es einfacher, auf vermeintlich zu hohe Einkommen zu verweisen, als sich mit dem komplexen Regelwerk von Abschlägen und Ruhestandseintrittsaltern zur beschäftigen. Dies hat uns als Koalition nicht daran gehindert, hier durch eine Zäsur nicht nur Generationengerechtigkeit herzustellen, sondern langfristig auch eine Entlastung für den Haushalt zu schaffen.

Nicht zuletzt stärken wir durch die Erhöhung der Mitarbeiterzahl für die Abgeordneten die Leistungsfähigkeit des Landtages. Wir haben in den vergangenen Jahren alle gemerkt, dass die Taktzahl in der Politik und die Dichte der Kommunikation zugenommen hat. Und dabei meine ich nicht nur die Erfahrungen jener Kolleginnen und Kollegen, die vor Jahrzehnten noch Pressemitteilungen per Schreibmaschine verfassten, sondern auch jene, die vielleicht erst seit der vergangenen Legislatur dabei sind. Wenn wir weiterhin als Abgeordnete adäquat auf den steigenden Kommunikationsbedarf reagieren wollen, dann ist eine moderate Aufstockung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinnvoll. Und mit Blick auf die beschriebene Realität fehlt mir an dieser Stelle auch das Verständnis, warum man da dagegen sein kann. Denn an einem unzureichend ausgestatteten Parlament können am Ende doch nur jene ein Interesse haben, die einen starken Parlamentarismus für nicht notwendig halten.

Diese Koalition, meine Fraktion und ich sind Verfechter einer starken und leistungsfähigen ersten Gewalt und halten diesen Punkt, egal, wie man zur Diätenanpassung stehen mag, für notwendig und richtig.

Vielen Dank.