Polizeikommission – Wer bewacht die Wächter? – Gesetzentwurf schließt Kontrolllücke

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Gesetz über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen“, Drs 6/16892, 90. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10. April, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

>>Quis custodiet ipsos custodes?<<, fragte Juvenal, sich über den Sittenverfall in Rom empörend.

>>Wer bewacht die Wächter?<< ist zum geflügelte Wort auch bei solchen Behörden geworden, die die Befugnis haben, heimlich in Grundrechte einzugreifen, wie der Verfassungsschutz, oder solche, die besonders schwer in Grundrechte eingreifen, wie die Polizei.

Das deutsche Verwaltungs- und Polizeirecht kennt zur Kontrolle der Polizei die Eigenkontrolle und die Fremdkontrolle.

Zu ersterem gehören Maßnahmen zur Gewährleistung polizeiinterner Ermittlungen, etwa die Abgabe der Ermittlungshoheit an eine andere Behörde, z.B. zur Aufklärung von Amtsdelikten. Dazu gehört auch die Innenrevision, die es im Innenministerium erstaunlicherweise noch gar nicht so lange gibt, die zur Aufgabe hat, >>Risiken materieller und immaterieller Art für die Organisation möglichst vor deren Realisierung zu erkennen und damit Schäden zu Lasten des Freistaates Sachsen zu vermeiden.<< Und – liebe SPD – auch ihre Beschwerdestelle ist nur ein Instrument der Eigenkontrolle, da nützt auch die Anbindung an die Staatskanzlei nichts.

Dass solche Maßnahmen der Eigenkontrolle nicht ausreichend sind, liegt auf der Hand. So werden in Sachsen Verfahren gegen Polizeibeamtinnen und -beamte wegen Straftaten im Amt überwiegend eingestellt. Im Zeitraum von Anfang 2017 bis Mai 2018 wurden gerade einmal in 8 von 997 Fällen Anklage erhoben und ein Strafbefehl erlassen, der rechtskräftig wurde. Auf 419 Anzeigen wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt folgten lediglich 7 Anklagen. Das sind gerade mal 1,6 Prozent. Fakt ist, Polizeibedienstete ermitteln nicht gern gegen Kolleginnen und Kollegen.

Es ist ein Merkmal des demokratischen Rechtsstaates, dass auch Fremdkontrolle stattfinden muss und damit – bezogen auf die Polizei – externe, nicht dem Polizeiapparat zugehörige Organe mit der Beurteilung und ggf. Korrektur polizeilicher Maßnahmen, d. h. mit der Kontrolle, befasst werden. Solche Instrumente der Fremdkontrolle sind u.a. der Richtervorbehalt bei besonders schwerwiegenden Eingriffen und die gerichtliche Rechtsschutzgewährung.

Allerdings greifen diese Instrumente nicht immer: Werden polizeiliche Maßnahmen sofort vollzogen, etwa der Schlag mit dem Knüppel, bleibt dem Betroffenen nur die Möglichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit im Nachhinein, die Schmerzen muss er erstmal hinnehmen. Immerhin hat er Kenntnis von der polizeilichen Maßnahme.

Beiden Formen der Kontrolle ist eines gemein: Sie beschäftigen sich immer nur mit konkreten Sachverhalten, Verstößen und Ermittlungen. Einen Überblick über generelle interne Fehlentwicklungen, systematische Verstöße und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizei verschaffen solche Kontrollinstrumentarien nicht.

An diese Kontrolllücke knüpft unser Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Polizeikommission an. Das deutsche Verfassungsrecht mit seiner Entscheidung für eine parlamentarische Demokratie kennt nämlich eine weitere Instanz für Fremdkontrolle: die parlamentarische Kontrolle durch Überwachung der vollziehenden Gewalt – der Exekutive.

Die Instrumentarien dieser Kontrolle sind von Land zu Land recht unterschiedlich: Im Bund gibt es beispielsweise erweiterte Rechte des Verteidigungsausschusses und einen Wehrbeauftragten. In Sachsen umfasst die parlamentarische Kontrolle neben dem Untersuchungsausschuss auch parlamentarische Fragerechte von Abgeordneten oder die Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag. Eine weitere Form parlamentarischer Kontrolle ist die Einrichtung eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten, der vom Landtag gewählt wird.

Wir GRÜNEN wollen eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Polizei, die ähnlich wie beim Datenschutzbeauftragten, durch eine vom Landtag gewählt Kommission wahrgenommen wird. Wir schließen damit die Kontrolllücke und schaffen ein unabhängiges Gremium, das Polizeiarbeit regelmäßig begleitet und weiter professionalisiert.

An die Polizeikommission und ihren Vorsitz, die oder den Polizeibeauftragte/n, können sich zudem Bürgerinnen und Bürger aber auch Polizeibedienstete mit ihren Beschwerden wenden. Mit einer ständigen Begleitung der Polizeiarbeit durch eine solche unabhängige Kommission verbinden wir die Hoffnung, dass die Polizei auch selbst Verfehlungen als Chance sieht, Missstände zu erkennen und darauf zu reagieren. Die Pflege einer Fehlerkultur wird im besonderen Maße zur Akzeptanz eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates und zu einer neuen Polizeikultur beitragen.

Sehr geehrter Justizminister,
ich schätze die Fehlerkultur in Ihrem Ressort durchaus. Wir GRÜNEN nehmen zur Kenntnis, dass Sie im Bereich der Justizvollzugsanstalten über eine Ombudsstelle nachdenken, an die sich Bedienstete oder Gefangene etwa bei Misshandlungen vertraulich wenden können. Dem Schritt sollte das Innenministerium folgen.

Mit unserem Gesetz über die Einrichtung einer Polizeikommission schlagen wir Ihnen ein ähnlich dringend erforderliches Kontrollinstrument für rechtmäßige Polizeiarbeit vor und bitten um Zustimmung.

Vielen Dank.