Polizeiliche Kriminalitätsstatistik: Sorgen Sie endlich für eine ausreichende Polizeipräsenz, mehr Reviere in der Fläche und hören Sie auf mit unredlichem Statistikvoodoo

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD:
„Positiven Trend der Polizeilichen Kriminalstatistik 2017 verstetigen, durch konsequenten Personalaufbau und Verfolgungsdruck für mehr sichtbare Sicherheit im Freistaat Sachsen sorgen“
71. Sitzung des Sächsischen Landtags, Donnerstag, 26. April, TOP 1
 
– Es gilt das gesprochene Wort –
 
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
das Diktum: „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“ scheint man im Sächsischen Innenministerium offenbar als Aufforderung zum Frisieren von Statistiken fehlinterpretiert. Anders kann man sich die Posse um die Sonderstatistik „Kriminalität im Zusammenhang mit dem Thema ‚Zuwanderung'“, die erneut mit der Polizeilichen Kriminalstatistik vorgestellt wurde, nicht erklären.
Ich muss daher zuerst ihre Feierstunde anlässlich vermeintlicher Erfolge in der Kriminalitätsbekämpfung mit schlichter Mathematik und Logik unterbrechen.
In Sachsen lebten im Jahr 2017 – so teilte es das Innenministerium mit – insgesamt 52.918 Zuwanderer und gegen 9.493 von ihnen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat eingeleitet. Ob diese auch verurteilt wurden, steht übrigens auf einem anderen Blatt. Das ist durchaus ein besorgniserregender Zustand und bedarf einer luziden kriminologischen Einordnung. Nur allein, das wäre keine reißerische Geschichte geworden.
Vielmehr wurde folgendes herbeikonstruiert: Da im Jahr zuvor – laut Ihrer Statistik – noch 63.425 Zuwanderer und 4 Tatverdächtige mehr als 2017 gezählt wurden, konnte aus diesen Zahlen ein einfacher Schluss gezogen werden: da es 10.000 weniger Zuwanderer als im Vorjahr aber gleich viele Tatverdächtige waren, sind die Zuwanderer 2017 krimineller geworden. Und schon hat man die Nachricht, die man sucht. Nur, sie stimmt nicht.
Dem sächsischen Flüchtlingsrat und einem Journalisten ist es zu verdanken, dass wir heute wissen, dass der drastische Rückgang der Zuwanderer in Sachsen nicht auf einen Exodus zurückzuführen ist, sondern auf Scharlatanerie. Er liegt schlicht und ergreifend in der Tatsache begründet, dass das LKA Sachsen diejenigen Zuwanderer nicht mitgezählt hat, die zum Stichtag 31. Dezember 2017 keinen gültigen Aufenthaltstitel hatten, anders als bei der PKS 2016. Da das im vergangenen Jahr im ganzen Bundesgebiet über 230.000 Asylbewerber betraf, kann man davon ausgehen, dass dies auch in Sachsen auf mindestens 10.000 Asylbewerber zutrifft – ziemlich genau jene 10.000 Personen, die im Vergleich zu Vorjahr fehlen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Zahlenakkrobatik wäre man durch jede Erstsemesterprüfung Statistik gefallen, in Sachsen indes kann man damit das Innenministerium führen. Vor diesem Hintergrund wird mir übel, wenn man bedenkt, dass in der Zuständigkeit dieses Hauses auch noch das Statistische Landesamt liegt.
Herr Innenminister, Sie schüren durch derartiges Statistikvodoo übrigens nicht nur massiv Ressentiments, Sie unterminieren auch die Glaubwürdigkeit der amtlichen Statistiken. Das führt dann ohne Umwege zu jener Situation, dass wir zwar bundesweit einen erheblichen Rückgang von Straftaten haben – Deutschland also sicherer wird -, aber die Kräfte am rechten Rand dieses Hauses alles daran setzen, das als Lüge darzustellen. Das, was Sie tun, ist der Katalysator dafür, dass Objektivität und harte Zahlen zunehmend durch Bauchgefühl ersetzt werden. Sie machen das Innenministerium zum Helfershelfer von fake News und gefühlten Statistiken. Das muss ein Ende haben. Ich erwarte daher, dass dieser Zahlenspuk im kommenden Jahr ein Ende hat.
Zu Voodoo und Bauchgefühl passt dann auch der Witz dieser Aktuellen Debatte schlechthin, der sich schon im Titel der AD offenbart. Diese Koalition will für „mehr sichtbare Sicherheit“ sorgen. Entschuldigen Sie, aber das ist doch nur noch grotesk.
Denn 1. Es war diese CDU, die durch ihre Einsparungen bei der Polizei und den Abbau von Revieren in der Fläche überhaupt erst für die Unsichtbarkeit der Polizei gesorgt hat. Ein erhebliches Sicherheitsrisiko für den Freistaat haben wir über Jahre hinweg nicht in der polizeilichen Kriminalstatistik gefunden, sondern auf den Regierungsbänken dieses Hauses.
Und 2. Es ist auch noch falsch, was Sie hier vorgaukeln. Sie sorgen nicht für mehr sichtbare Sicherheit. Meine Damen und Herren, Sichtbarkeit bedeutet Ansprechbarkeit – und davon sind wir in Sachsen kilometerweit entfernt.
Der Innenminister musste unlängst zugeben, dass keine einzige Stelle mehr in die Verkehrspolizei geht, obwohl diese jeden Tag für unsere Sicherheit im Straßenverkehr sorgt. Und noch im Herbst haben Sie schamlos unseren Antrag für mehr Polizeireviere in der Fläche abgelehnt. Das, was Sie hier machen ist doch pure Heuchelei.
Wenn man als Innenministerium und als Koalition eben lieber mehr Energie darin setzt, wie man die Bürgerrechte mit einem harten neuen Polizeigesetz beschneiden kann, anstatt endlich die Revierstruktur in Sachsen zu verbessern, braucht man sich eben auch nicht wundern, wenn es mit der Sichtbarkeit der Sicherheit nicht weit her ist.
Sorgen Sie also endlich für eine ausreichende Polizeipräsenz, mehr Reviere in der Fläche und hören Sie auf mit unredlichen Statistiken, dann braucht man sich in Sachsen um die Sicherheit keine Sorgen machen.
Vielen Dank.

 

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