Aktuelle Debatte öffentlicher Dienst: Sachsens braucht gut ausgebildete Fachkräfte und eine gut ausgestattete Verwaltung

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „’Zusammen geht mehr‘ – Höhere Löhne im öffentlichen Dienst: Wichtiges Signal für laufende Tarifrunden in anderen Branchen“
79. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 09.11.2023, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

beim Titel der Aktuellen Debatte bin ich nicht ganz sicher, ob die Aktuelle Debatte zu Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst oder Löhnen im Allgemeinen Stellung nimmt. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich mich auf den öffentlichen Dienst konzentriere, denn das ist das Kerngeschäft des Sächsischen Landtages: Tarifverhandlungen zwischen Ländern und Gewerkschaften – und sie laufen nicht gut. Die zweite Runde wurde ergebnislos abgebrochen; im Dezember wird die nächste Verhandlungsrunde beginnen und Streikwellen sind angekündigt, wenn sich die Tarifparteien nicht einigen können.

ver.di und weitere Gewerkschaften fordern für die rund 1,2 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den Ländern u.a. eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent.
Zudem steht in der Folge die Anpassung der Besoldung für die 1,3 Millionen Beamtinnen und Beamten im Landesdienst an.

Ja, die Forderungen der Gewerkschaften sind ein ziemlicher Brocken. Dennoch sind Verhandlungsführer der Länder gut beraten, mit ernsten Angeboten an den Tisch zu kommen. Die Bediensteten der Länder, von der Lehrkraft bis zur Polizistin, und auch die vielen Verwaltungsmitarbeiterinnen, leisten Großartiges, damit unser freiheitlicher Rechtsstaat funktioniert.

Der Staat ist kein hohles Gebilde – er lebt von engagierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn ohne Bedienstete ist eine Verwaltung bloße Attrappe.

Unsere Bediensteten haben den Anspruch, gut bezahlt zu werden. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gilt für die Beschäftigten von 15 der 16 Bundesländer. Für die Angestellten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen gilt der TVöD. TVöD und TVL haben unterschiedliche Gehaltstabellen, die das Niveau der Vergütung bestimmen – im Durchschnitt werden dabei die Beschäftigten des TVL schlechter bezahlt als die Beschäftigten des TVöD. Eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung mit erheblichen Konsequenzen für die öffentliche Verwaltung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
natürlich sind die Forderungen der Gewerkschaften erst einmal atemstockend. Aber sie sind nicht unberechtigt, denn der letzte TV-L ist quasi noch unter Corona ausgehandelt worden und so manche Segnungen der TVöD sind an den Landesbediensteten vorbeigegangen – dabei sind deren Lebenshaltungskosten genauso gestiegen.

Es wird immer so getan, als würden Staatsbedienstete das Geld mit der Schubkarre aus der Zahlstelle holen – das ist eine billige Verleumdung derjenigen, denen wir verdanken, dass unser Staat funktioniert. Gerade in den unteren Einkommensgruppen sind erhebliche Folgen der Inflation spürbar. Von daher braucht es jetzt spürbare Verbesserungen

Wir brauchen aber auch einen konkurrenzfähigen und attraktiven öffentlichen Dienst. Denn der Wettbewerb um die besten Fachkräfte und den Nachwuchs ist längst landes- und bundesweit entbrannt. Die Landesbeschäftigten bewerben sich in den öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen, wenn dieser besser vergütet.

Zurück bleibt die Arbeit, die auf den Schultern der wenigen Kolleginnen und Kollegen ungleich mehr verteilt wird und die zudem die hohen Altersabgänge zusätzlich kompensieren müssen. Die Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung ist in Gefahr – gestern haben wir in der morgendlichen Debatte gesehen, was fehlende IT-Stellen bewirken. Wir brauchen als Staat die Besten für unsere Demokratie – und ja, das darf auch was kosten.

Wichtigstes Ziel ist daher die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs, den wir aber nicht mehr nur mit Geld nach Sachsen locken können.

In Hinblick auf die Attraktivität geht es um weitaus mehr, um Sachsen konkurrenzfähig zu halten. Dazu gehören moderne Personalkonzepte, ein aktives, zielgruppenorientiertes Personalmarketing auf modernen Kommunikationswegen, bessere Vereinbarkeit von Familie oder Pflege und Beruf, Wertschätzung, starke Beteiligungsmöglichkeiten – um nur einige Punkte zu nennen. Und Sachsen stünde endlich auch ein Bildungszeitgesetz gut zu Gesicht!

Abschließend noch zwei kritische Punkte:

1. Ich bin skeptisch, ob Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Vorbildwirkung haben sollten für die Privatwirtschaft. Das scheint mir dann doch zu etatistisch – anders herum wird ein Schuh draus: Die hohen Abschlüsse in der Privatwirtschaft sollten Vorbild für den öffentlichen Dienst sein.

2. Die Gewerkschaften fordern Mindesterhöhungsbeiträge – klingt gut, stellt uns aber bei der Übernahme des Abschlusses für die Beamtinnen und Beamten vor erhebliche Herausforderungen.

Deswegen etwas mahnend: Man kann auf Dauer nicht jedes mal Mindesterhöhungsbeiträge fordern und gleichzeitig das innere Abstandgebot bei der Besoldung bis aufs Messer verteidigen. Es sei denn, dass es als sozial gerecht betrachtet wird, dass nach jeder Tarifrunde sich die Spitzenbeamten über überproportionale Erhöhungen ihrer Besoldungen freuen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Sachsens Zukunft gelingt nur mit gut ausgebildeten Fachkräften und einer personell ausreichenden Ausstattung in der Verwaltung, die für die Bürgerinnen und Bürger zuverlässig die Aufgaben des Freistaates erfüllen. So können wir zeigen, dass wir die Arbeit der Landesbeschäftigten schätzen, dass sie für einen funktionsfähigen Staat gebraucht werden und jeden Cent wert sind, der in ihr Gehalt investiert wird.