Beamtenbesoldung − CDU zeigt Arroganz statt erforderlicher Demut

Foto: Grünes Büro

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

als ich am 11. September 2016 ihre Pressemitteilung, Herr Michel, mit dem Titel las: „Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages hat jetzt dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Umsetzung des Besoldungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes zugestimmt“ bin ich fast vom Stuhl gekippt. Was für eine Arroganz gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die hier und heute und nicht in der CDU-Fraktion getroffen wird.
Was für eine Arroganz gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, das Sachsen verpflichtet hat, die Besoldung bis Juni 2016 in einen verfassungsgemäßen Zustand zu bringen.
Und was für eine Arroganz gegenüber den tausenden Beamtinnen und Beamten des Öffentlichen Dienstes, die in den vergangenen fünf Jahren mit hoher Qualität ihren Dienst verrichtet haben und denen von Seiten der CDU-geführten Staatsregierung nur Steine in den Weg gelegt wurden. Ich verweise hier nur auf das Desaster beim Thema alterdiskriminierende Besoldung.

Wie Hohn klingt es, Herr Michel, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung sagen: „Wir schätzen als CDU-Fraktion die Arbeit unserer Beamten!“ Das ist geschichtlich evident: schlichter Unfug. Das festzustellen braucht es nicht das Bundesverfassungsgericht, aber das sagt es Ihnen besonders eindrücklich.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung sächsische Beamter im November letzten Jahres war ein Paukenschlag. Ein Paukenschlag der sich bereits mit einem Trommelwirbel ankündigte. Denn bereits ein halbes Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zur Besoldung von Richtern und Staatsanwälten in Sachsen-Anhalt hohe Maßstäbe an die Angemessenheit der Besoldung gelegt. Es hatte in fast gesetzgeberischer Formelhaftigkeit deutlich gemacht, dass die Angemessenheit der Besoldung von Beamtinnen und Beamten anhand von fünf aus dem „Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern“ zu ermitteln ist. Seien drei der fünf Parameter nicht erfüllt, bestehe „die Vermutung einer der angemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards nicht genügenden und damit verfassungswidrigen Unteralimentation“, so das Bundesverfassungsgericht. Soweit die Theorie, die nun Grundlage für die Berechnung der Besoldungsanpassung durch diesen heute zu verabschiedenden Gesetzentwurfs ist. Die Begründung des Gesetzentwurfes finde ich – mit Blick auf die Kriterien des Gerichts – geradezu vorbildlich.

Mit Blick auf die klagegegenständliche A10-Besoldung stellte das höchste deutsche Gericht klar und deutlich fest, dass wesentliche Ursache der Unteralimentation die Streichung der Sonderzahlung im Jahr 2011 war. Und noch etwas schrieben die Richter der CDU-geführten Staatsregierung und der damaligen Landtagsmehrheit ins Stammbuch: die Streichung des Weihnachtsgeldes war weder hinreichend begründet, noch rechtfertigte der pauschale Hinweis auf die „geringe Wirtschaftskraft“ und die „hohe Arbeitslosigkeit“ in Sachsen das Vorliegen einer Phase konjunkturellen Abschwungs, zumal das Bruttoinlandsprodukt sowohl 2010 als auch 2011 über 4 Prozent lag – die für erforderlich gehaltene Haushaltskonsolidierung war also schlichtweg erfunden (und das Gericht so höflich, dass nicht so drastisch aufzuschreiben).

Das Gericht zählte auch all die anderen Einschnitte auf, die Sachsens Beamtinnen und Beamte bereits in den Jahren zuvor hinnehmen mussten und die in der Zusammenschau zur Aufzehrung der Bezüge führte: Einführung des jährlichen Selbstbehalts bei Beihilfen, Absenkung des Erstattungsersatzes für zahntechnische Leistungen, Kürzung der Besoldung zur Bildung einer Versorgungsrücklage und Absenkung des Pensionsniveaus. Das liest sich wie ein Konglomerat der Grausamkeiten, war aber jahrelange Besoldungspolitik in Sachsen.
Das BVerfG stellte fest, dass nur 4 Prozent der vergleichbar ausgebildeten Vollzeitbeschäftigten außerhalb des öffentlichen Dienstes weniger verdienten als eine Amtsträgerin der A10-Besoldung (erste Stufe, Grundgehalt).

Meine Damen und Herren von der CDU und der CDU-geführten Staatsregierung – die diese Unteralimentation sächsischer Beamtinnen und Beamten über Jahre zu verantworten haben – Sie hatten mehrfach Gelegenheit, Ihre Entscheidung zu revidieren. Sie haben (unsere) entsprechenden Änderungsanträge in den Haushaltsverhandlungen und die in der Dienstrechtsreform abgelehnt, Sie haben die Stellungnahmen diverser Sachverständiger in diversen Anhörungen zu amtsangemessenen Alimentation ignoriert, sogar als die Entscheidung zur Besoldung in Sachsen-Anhalt fiel. Erst als Ihnen das Bundesverfassungsgericht die Pistole auf die Brust und eine Anpassungsfrist gesetzt hat, sind sie tätig geworden. Und jetzt verkaufen Sie das noch frech als große Leistung anstatt hier die notwendige Demut an den Tag zu legen.

Um eins klar zu stellen, auch wenn ich manchmal bei den Gebahren der CDU ein anderes Gefühl habe: Wir sind hier nicht bei Hofe und Beamte sind keine Empfänger von Gnadenakte sondern haben einen Rechtsanspruch auf eine ordentliche Besoldung. Und auch das ohne Einhaltung der gesetzten Frist. Nun, da das Gesetz fast beschlossen ist, wird es bis zur Auszahlung der Nachzahlung übrigens mindestens noch 6 Wochen dauern, aufgrund technischer Probleme, die dem Finanzminister seit mindestens Anfang des Jahres bekannt sind. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Sie schätzen die Arbeit der sächsischen Beamtinnen und Beamten? Dann erkennen Sie endlich an, was das Bundesverfassungsgericht als Funktionsbestimmung des Berufsbeamtentums als Institution bezeichnet, die – gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung – eine stabile Verwaltung sichern und einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatswesen gestaltenden politischen Kräften bilden sollen. Sachsens Beamtinnen und Beamte sind die, die ihre Arbeit erledigen, wenn Sie hier in diesem hohen Hause Haushaltskonsolidierung spielen. Es sind sächsische Bedienstete, die sich tagtäglich regelmäßig auch körperlichen Anfeindungen aussetzen müssen, wenn sie etwa Steuern eintreiben – während Sie hier eine Stelle nach der anderen kürzen und die Funktionsfähigkeit von Kernbeständen unserer Verwaltung an die Wand fahren.

Den Gesetzentwurf tragen wir natürlich mit – es wird ja ein Rechtsanspruch umgesetzt – , verbunden mit dem Appell, dass wir endlich auch mit Neueinstellungen in die sächsische Verwaltung investieren müssen, damit wir auch morgen noch das fachliche Niveau und die rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes sicherstellen können, wie es das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich verankertes Prinzip definiert. Denn dies ist in wenigen Jahren nicht mehr nur eine Frage der amtsangemessenen Alimentation.

Wenn Sie immer nur das rausrücken, was Sie gerade müssen, wenn Sie die Beamtinnen und Beamten an der Untergrenze des verfassungsmäßig hinnehmbaren alimentieren, dann brauchen Sie sich nicht wundern, wenn wir im Kampf um die besten Köpfe für den Freistaat demnächst keinen Stich mehr sehen.

Rede zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung ‚Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung‘
41. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. September 2016, TOP 6, Drs. 6/5079

Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung‘